Wer stört…?

Bei der letzten Gemeinderatssitzung gab es nur einen kritischen Beratungspunkt: den Neubau des Kindergartens auf dem ehemaligen Treff-Gelände. Für alle, die den Entwurf noch nicht kennen: Das Treff-Gebäude wird abgerissen, der neue Kindergarten auf die Bodenplatte aufgesetzt und im UG die bereits vorhandenen Räume nach der Renovierung als Personal- und Intensivzimmer mitgenutzt. Das einstöckige Gebäude soll fünf Gruppen zu je 25 Kindern Platz bieten. Drumherum wird partiell Sichtschutz angebracht, teils in Form eines Zauns, teils durch eine Mauer. Kosten soll das (schön gestaltete) Ganze nach ersten Schätzungen rund 2,8 Millionen Euro. Der große Wurf, den ein noch größerer Kindergarten eventuell an einem anderen Ort dargestellt hätte, wäre etwa zwei Millionen Euro teurer geworden. Der alte Gemeinderat hatte diese zu teure Lösung verworfen und mit dem Umbau des Treff-Gebäudes eine „gute Minimallösung“ gefunden, wie es einer der damals schon beteiligten Gemeinderäte in der Sitzung formulierte.

Zwei Jahre lang, so wurden die neuen Stadträte im Laufe der teilweise hitzigen Diskussion belehrt, die über den Bau entbrannte, habe man bereits darüber geredet, nun sei es an der Zeit, die Baugenehmigung einzureichen. Das sahen wir von der Aktiven Liste anders und stellten Fragen, die manchem altgedienten Kollegen sichtbar auf die Nerven gingen und auch der Rathauschefin wenig Freude bereiteten. So brachten wir etwa ins Spiel, dass der Kiga mit 125 Plätzen zu knapp bemessen sei. Wortreich versuchte Frau Grether, uns das Gegenteil zu belegen. „Es ist einfach so“, war einer der besseren Kommentare. Und als wir ein Zitat von Hauptamtsleiter Jürgen Böhm vortrugen, der bei einer kurz zuvor abgehaltenen Klausurtagung zum Bau gesagt hatte, „dass wir, wenn es gut läuft, einen Kindergarten bauen, der bei der Fertigstellung zu klein ist“, meinte die Rathauschefin gar: „Dann ist es doch gut!“ Nicht besser wurde es, als wir einwarfen, kein Unternehmer baue ein Gebäude, wenn er schon vorher wisse, dass es bald zu klein sei. Dieses Argument wurde mit der Aussage eines altgedienten Gemeinderats weggewischt, man könne eine Gemeinde nicht mit einem Unternehmen vergleichen. Viele weitere Details hätten wir noch gerne diskutiert, doch sichtlich genervt wurde eine schnelle Entscheidung über eine „generelle Zustimmung“ forciert. Wir drängten auf eine Verschiebung um mindestens einen Monat, doch für den hätte es keine Mehrheit gegeben, denn auch Räte anderer Fraktionen wollten das offenbar nicht – mit dem Hinweis, es seien schon 1,738 Millionen Euro aus Ausgleichsstock und Förderprogramm bewilligt, und deshalb müsse bis Juni 2020 mit dem Bau begonnen werden.

Wir haben das in der Sitzung bereits betont und wollen das auch hier tun: Alle aus der Aktiven Liste stehen zu 100 % hinter der Idee eines neuen Kindergartens, doch haben wir den Eindruck, dass hier nicht mit ausreichender Tiefe diskutiert wurde. Wir halten es für einen Fehler, einen Kindergarten zu bauen, der in drei oder vier Jahren schon wieder zu klein sein dürfte. Zumal wir das Argument, dann werde halt einfach angebaut, angesichts der schwieriger werdenden Wirtschaftssituation nicht wirklich für stichhaltig ansehen. Alle Versuche, uns mit Rechenmodellen über die Kinderzahl vom Gegenteil zu überzeugen, waren wenig überzeugend gescheitert. Selbst der sehr gut vorbereitete Kindergartenleiter Christoph Gotsch, der anwesend war und sachkundig Auskunft gab, wollte sich dem Optimismus der Verwaltung in Sachen Zukunftssicherheit des Kindergartens auf Nachfrage nicht anschließen.

Es wird in den kommenden Monaten viele intensive Diskussionen um die konkrete Umsetzung geben. Wir freuen uns darauf und führen die Gespräche gerne. Auch wenn wir das Gefühl haben, dass kritische Nachfragen und das Beharren auf Antworten nicht besonders erwünscht sind. Die Körpersprache war bei einigen deutlich: Ihr von der Aktiven Liste mit euren Fragen, eurem Nachbohren und – Zitat – eurem Unternehmergeschwätz, ihr stört!

P.S. 2020 endet auch für Neckarbischofsheim die mehrjährige Übergangsfrist für die Umstellung des Finanzwesens auf die in der Privatwirtschaft übliche doppelte Buchführung, auch Doppik genannt. Bei einer Fortbildung für Gemeinderäte am vergangenen Wochenende wurde dieses Thema angeschnitten. Klare Aussage der referierenden Experten: Gemeinden werden nun viel stärker unternehmerisch denken und handeln müssen. Vielleicht sollte die Aussage, eine Gemeinde sei doch überhaupt kein Unternehmen, spätestens jetzt bei allen auf den Prüfstand.

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